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Urteil des Landesgerichtes Wels vom 09. April 2025 in der Strafsache 25 Hv 55/24s (mediales Schlagwort: "Dr. Lisa-Maria Kellermayr")

Am Landesgericht Wels fand am 26., 27. März, 08. und 09. April 2025 die Hauptverhandlung in der oben angeführten Strafsache statt (Schöffengericht). Zum zugrundeliegenden Anklage-Vorwurf der Staatsanwaltschaft Wels kann auf deren Pressemitteilung vom 05.09.2024 verwiesen werden (https://www.justiz.gv.at/sta-wels/staatsanwaltschaft-wels/medienstelle/pressemitteilungen/anklageerhebung-in-der-causa-dr-lisa-maria-kellermayr.e91.de.html).

Am 09. April 2025 wurde dazu das Urteil verkündet, nachdem sich das Schöffengericht nach einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme von der Verantwortung des Angeklagten, den Wahrnehmungen zahlreicher Zeugen und den Gutachten zweier Sachverständiger ein umfassendes Bild machen konnte.

Der Angeklagte wurde (nicht rechtskräftig, siehe unten) vom Anklagevorwurf freigesprochen.
Das Schöffengericht ging davon aus, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Nachrichten versendet hat, indem er insbesondere ankündigte, Dr. Lisa-Maria Kellermayr vor ein noch einzurichtendes „Volkstribunal“ zu stellen und sie „auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis“ zu bringen. 
Dies kann den Grundtatbestand / das Grunddelikt der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB verwirklichen.

Zur Zuständigkeit

Weil der Angeklagte diese Nachrichten aus Deutschland versendet hat, besteht für den Grundtatbestand / das Grunddelikt der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB keine österreichische Strafgerichtsbarkeit, sondern die Zuständigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden (Tatort in Deutschland).

Die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Wels war jedoch dadurch begründet, dass durch den Qualifikationstatbestand des § 107 Abs 3 StGB nunmehr ein sogenanntes “Erfolgsdelikt” vorlag und sich der Suizid der Dr. Lisa-Maria Kellermayr in Österreich ereignete, wodurch die österreichische Strafgerichtsbarkeit begründet wurde.

Aus den wesentlichen Entscheidungsgründen

Für den angeklagten Qualifikationstatbestand des § 107 Abs 3 StGB wäre erforderlich, dass für den Angeklagten auch hinreichend vorhersehbar gewesen wäre, dass seine Drohung auch den Selbstmord der Dr. Lisa-Maria Kellermayr zur Folge haben könnte und diese Drohung zudem auch (mit-)ursächlich für den Selbstmord gewesen wäre. Dies müsste jeweils mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellbar sein.
Das Schöffengericht konnte ebendies jedoch im Zweifel nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellen.

Mitrelevant für die Beurteilung, ob eine Labilität oder gar Suizidalität vorlag und folglich ein Selbstmord auch für den Angeklagten (subjektiv) vorhersehbar war und dessen Nachrichten auch mitursächlich für den Selbstmord waren, war auch die Persönlichkeit bzw. die persönliche Situation der Dr. Lisa Maria Kellermayr.

Schon der forensisch-psychiatrische Sachverständige konstatierte, dass für Außenstehende eine Labilität nicht hinreichend erkennbar war. Dafür, dass dies beim Angeklagten anders gewesen sein soll, ergaben sich wiederum keine Anhaltspunkte.
Theoretisch denkbar wäre zwar, dass der Angeklagte (welcher Nachrichten zwischen 21.02. und 24.07.2022 versendet hat) zumindest/spätestens ab Sommer 2022 deshalb erkennen hätte können, dass bei Dr. Lisa-Maria Kellermayr eine Labilität oder gar Suizidalität vorgelegen hat – weil sie dann Ende Juni 2022 öffentlich gemacht hatte, dass sie Mordrohungen von anderer Seite erhalten habe.

Allerdings ließ sich für diesen Zeitraum nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass gerade die Nachrichten des Angeklagten mitursächlich für den Suizid gewesen sind, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits Morddrohungen von anderer Seite erhalten hatte. So konstatierte auch der forensisch-psychiatrische Sachverständige, dass der Selbstmord der Dr. Lisa-Maria Kellermayr als komplexes Bild aus vielen Facetten zu sehen sei, der seine Ursachen in mehreren Umständen hatte. Der Hauptanteil am Suizid sei aber sicherlich in der psychischen Grunderkrankung begründet.

Der sichergestellte "Abschiedsbrief" der Dr. Lisa-Maria Kellermayr war letztlich – so auch der forensisch-psychiatrische Sachverständige – in Zusammenschau mit den weiteren Beweisergebnissen eine "Generalabrechnung". Auch das Schöffengericht befand diesen "Abschiedsbrief" nicht zuletzt deshalb für nur bedingt aussagekräftig, was die Rolle des Angeklagten anbelangt.

Zusammengefasst war nach dem durchgeführten Beweisverfahren nicht mit der für einen Schuldspruch wegen des Qualifikationstatbestands des § 107 Abs 3 StGB erforderlichen Sicherheit nachweisbar, dass für den Angeklagten hinreichend vorhersehbar war, dass seine Drohung letztlich den Selbstmord der Dr. Lisa-Maria Kellermayr zur Folge haben könnte und diese Drohung zudem auch (mit-)ursächlich für den Selbstmord gewesen wäre.

Zum Grundtatbestand / zum Grunddelikt der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB wiederum bestand keine österreichische Strafgerichtsbarkeit, sondern die Zuständigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden (Tatort in Deutschland).

Die Staatsanwaltschaft Wels hat das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.