Zur Hauptnavigation [1] Zum Inhalt [2]

Schussabgaben durch Polizeibeamte auf ein Schlepperfahrzeug: Umfangreiche Ermittlungen führen zu einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens und einer Diversion

Nachdem in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 2023 bei der Verfolgung eines Schlepperfahrzeuges im Salzburger Pinzgau durch einen Polizeibeamten und eine Polizeibeamtin Schüsse abgegeben und dadurch zwei Personen verletzt wurden, ermittelte die Staatsanwaltschaft Salzburg, wie medial berichtet, wegen des Verdachts des versuchten Mordes. Nach umfangreichen Ermittlungen wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten eingestellt und jenes gegen die Polizistin mittels einer Diversion beendet.

Chronologie der Ereignisse

Ein rumänischer Staatsangehöriger transportierte in der genannten Nacht zehn syrische Staatsangehörige illegal von Slowenien nach Österreich und weiter nach Deutschland. Dort konnte er die geschleppten Personen nicht absetzen, weil die deutsche Polizei auf ihn aufmerksam wurde. Der Schlepper entzog sich der Anhaltung und flüchtete retour nach Österreich. Die deutschen Polizisten folgten dem Fahrzeug und meldeten ihre grenzüberschreitende Nachfahrt der österreichischen Polizei, welche die Verfolgung übernahm. Der Schlepper setzte seine Flucht trotz mehrerer Anhalteversuche und einer Straßensperre fort und versuchte dabei mehrmals, den mit zwei Polizisten besetzten österreichischen Streifenwagen zu rammen. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit und der zu diesem Zeitpunkt nassen und teilweise glatten Fahrbahnverhältnissen bestand dadurch für alle Beteiligten Lebensgefahr.

Erste Schussabgabe aus dem Streifenwagen durch einen Polizisten

Als der Schlepper den Streifenkraftwagen erneut zu rammen versuchte, gab der Polizeibeamte, der sich auf dem Beifahrersitz befand, aus seiner Dienstpistole zwei Schüsse auf das Schlepperfahrzeug ab. Dabei erlitt eine Person im Fahrzeug durch Splitter Schnittverletzungen an der Hand. Der rumänische Staatsangehörige beendete daraufhin die Versuche, den Streifenkraftwagen zu rammen, setzte seine Flucht aber fort, bis er von der Straße abkam und auf einem Feld im Schnee stecken blieb. Er ließ die geschleppten Personen im Fahrzeug zurück und setzte seine Flucht zu Fuß fort. Die Polizeibeamten nahmen ebenfalls zu Fuß die Verfolgung auf.

Aufgrund der geschilderten Schussabgaben wurde gegen den Polizeibeamten wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB und fahrlässiger Körperverletzung § 88 Abs 1 StGB ermittelt.

Zweite Schussabgabe auf das Schlepperfahrzeug durch eine Polizistin

Ein weiterer an der Verfolgung beteiligter und mit zwei Polizistinnen besetzter Streifenwagen erreichte kurze Zeit später das zurückgelassene Schlepperfahrzeug. Da den Beamtinnen nicht bekannt war, von wem zuvor die Schüsse abgegeben worden waren und ob sich im Fahrzeug eventuell bewaffnete Personen befinden, sicherten sie den Wagen unter Verwendung einer dienstlichen Langwaffe und forderten die Insassen mehrfach auf, mit erhobenen Händen auszusteigen, ohne dass diese Aufforderung befolgt wurde. Es kam zu einer Schussabgabe durch eine Polizeibeamtin. Der Schuss durchschlug die rechte hintere Seitenscheibe und traf einen der geschleppten Insassen im Kopfbereich.

Aufgrund dieses zweiten Schusswaffengebrauchs ging die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren von einem Anfangsverdacht in Richtung des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB aus.

Umfangreiche Ermittlungsarbeit

Um jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden, übernahm das Landeskriminalamt Vorarlberg die Ermittlungen gegen die Salzburger Polizisten. Alle Personen wurden vernommen, ein umfangreicher Tatortbericht samt Schusswinkelbestimmung zu allen abgegeben Schüssen erstellt und die verwendeten Dienstwaffen untersucht. Weiters holte die Staatsanwaltschaft Salzburg ein Gutachten der Gerichtsmedizin Salzburg über die Verletzungsfolgen und zur Feststellung des Schusskanals sowie ein fahrzeugtechnisches Gutachten ein.

Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Polizeibeamten

Im Falle des Polizeibeamten, der die ersten Schüsse abgegeben hatte, ergab das Ermittlungsverfahren, dass diese aus dem Grund des § 7 Z 1 und Z 3 WaffGG iVm § 3 StGB gerechtfertigt waren. Das bedeutet, die Schüsse wurden nach dem Waffengebrauchsgesetz rechtmäßig abgegeben, weil eine Notwehrsituation vorlag. Im Übrigen wäre die dadurch fahrlässig herbeigeführte leichte Handverletzung eines der Fahrzeuginsassen nach § 88 Abs 2 Z 2 StGB ohnedies nicht strafbar, weil sie keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als 14 Tagen zur Folge hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten wurde mangels strafbaren Verhaltens gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt.

Diversion für die Polizeibeamtin

Im Falle der Polizeibeamtin ergab das Ermittlungsverfahren, dass die Schussabgabe unabsichtlich erfolgte, als sie beim Rückwärtsgehen im tiefen Schnee stolperte. In rechtlicher Hinsicht ist daher vom Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung auszugehen. Aufgrund der konkreten Tatumstände, ihrer Schuldeinsicht und ihrer bisherigen Unbescholtenheit wurde ihr von der Staatsanwaltschaft Salzburg eine Diversion unter Setzung einer Probezeit von zwei Jahren und Leistung eines Pauschalkostenbeitrages angeboten.

Aufgrund des besonderen öffentliches Interesses wird die Einstellungsbegründung gemäß § 35a StAG in der Ediktsdatei veröffentlicht werden.

Weiterhin Ermittlungen gegen den rumänischen Schlepper

Gegen den rumänischen Staatsangehörigen ist weiterhin ein Verfahren wegen des Verbrechens der Schlepperei, des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt, des Vergehens der schweren Körperverletzung, des Vergehens der Sachbeschädigung und des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung anhängig.