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Opfer und Opferrechte

Personen, die Opfer von bestimmten Straftaten werden, haben nach der Straftat im Gerichtsverfahren gewisse Rechte.

Zuerst definiert das Gesetz in § 65 Z 1 Strafprozessordnung (StPO), wer überhaupt ein Opfer ist:

Jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt, in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt oder deren persönliche Abhängigkeit durch eine solche Straftat ausgenützt worden sein könnte. Voraussetzung ist hier eine mit Vorsatz begangene Tat, nicht aber der Eintritt eines bestimmten Schadens. Neben Delikten gegen Leib und Leben können auch bestimmte Eigentumsdelikte (wie z.B. Raub) oder Menschenhandel unter Ausnützung einer Autoritätsstellung oder einer Zwangslage umfasst sein (Besonders betroffene Opfer - § 65 Z 1 lit. a StPO)

Bestimmte Angehörige einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt wurde (§ 65 Z 1 lit. b StPO): die:der Ehegattin:Ehegatte, die:der eingetragene Partner:in, die:der Lebensgefährtin:Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, der Bruder, die Schwester und sonstige Unterhaltsberechtigte einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen:Zeuginnen der Tat waren. In diesem Fall spielen Vorsatz oder Fahrlässigkeit der Tat keine Rolle.

Sonstige Personen, die unmittelbar oder mittelbar einen vermögensrechtlichen oder immateriellen Schaden erlitten haben (§ 65 Z 1 lit. c StPO): jede andere Person, die durch eine Straftat einen Schaden erlitten haben oder sonst in ihren strafrechtlich geschützten Rechtsgütern beeinträchtigt worden sein könnte. Damit genügt die Beeinträchtigung irgendwelcher strafrechtlich geschützten Rechtsgüter für die Erlangung der Stellung eines Opfers im Strafverfahren.


Darüber hinaus kennt das Gesetz noch besonders schutzbedürftige Opfer. Auf jeden Fall besonders schutzbedürftig sind folgende Personen:

  • Opfer von Sexualstraftaten
  • Minderjährige Opfer (= Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben),
  • Opfer, zu deren Schutz ein Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt erteilt werden könnte oder wurde.

Bei allen anderen Opfern wird die besondere Schutzbedürftigkeit im Einzelfall geprüft. Dabei sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  • Alter des Opfers
  • Seelischer und gesundheitlicher Zustand des Opfers
  • Art und konkrete Umstände der Straftat


Opferrechte

Die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung steht bestimmten Opfergruppen zu:

  • Besonders betroffenen Opfern und bestimmten Angehörigen verstorbener Opfer nach § 65 Z 1 lit. a und b StPO
  • Opfern terroristischer Straftaten (§ 278c StGB)
  • Opfern von beharrlicher Verfolgung („Stalking“ § 107a StGB), fortdauernder Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems (§ 107c StGB) und Verhetzung (§ 283 StGB)
  • Opfern von übler Nachrede (§ 111 StGB), Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113 StGB), Beleidigung (§ 115 StGB) und Verleumdung (§ 297 StGB), wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine solche Tat im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems begangen wurde
  • Minderjährigen, die Zeugen:Zeuginnen von Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) waren

Die genauen Voraussetzungen für die Zuerkennung der Prozessbegleitung finden Sie hier.


Neben der Erlangung der Stellung eines Opfers hat jede betroffene Person erweiterte verfahrensrechtliche Möglichkeiten:

  • Privatbeteiligung (§ 65 Z 2 StPO): Das Opfer kann sich am Verfahren beteiligen, um Ersatz für den erlittenen (materiellen) Schaden oder die erlittene Beeinträchtigung (ideeller Interessen) zu begehren; die Privatbeteiligung hat die Wiedergutmachung des Schadens zum Ziel.
  • Privatanklage (§ 65 Z 3 StPO): In den Fällen einer nicht von Amts wegen zu verfolgenden Straftat kann das Opfer eine Anklage oder einen anderen Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens bei Gericht einbringen.
  • Subsidiaranklage (§ 65 Z 4 StPO): Ein Opfer, das sich als Privatbeteiligte:r dem Verfahren angeschlossen hat, kann eine von der Staatsanwaltschaft zurückgezogene Anklage aufrecht halten.


Die Rechte eines Opfers sind ausführlich in den §§ 66 ff StPO geregelt. Diese Rechte sind den Opfern von Amts wegen (das bedeutet ohne Antrag direkt von der Behörde oder vom Gericht) zu gewähren. Sie können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Persönlichkeitsschutzrechte (Recht auf Achtung und Anerkennung der persönlichen Würde)
  • Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit
  • Belehrungs- und Informationsrechte sowie Kommunikationsgarantien (Information über Gegenstand und Fortgang des Verfahrens, Akteneinsicht, Übersetzungshilfe durch Dolmetschleistungen und schriftliche Übersetzungen): Hier ist wichtig, dass es sich um eine aktive Informationspflicht durch Sicherheitsbehörden, Staatsanwaltschaft und Gericht handelt.
  • Verfahrens- und Beteiligungsrechte (Anwesenheit bei kontradiktorischen Vernehmungen von Zeugen:Zeuginnen und Beschuldigten, bei Tatortrekonstruktionen und bei der Hauptverhandlung)
  • Fortführungsantrag (§ 195 StPO): Das Opfer kann unter bestimmten Voraussetzungen die Fortführung eines von der Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens beantragen.
  • Kostenersatz: Die Kosten des Strafverfahrens sind allgemein in den §§ 380 ff StPO geregelt. Die Prozessbegleitung ist für das Opfer kostenlos. Besteht kein Anspruch auf Prozessbegleitung, so kann der:dem Privatbeteiligten bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen Verfahrenshilfe gewährt werden. Die:Der Verurteilte, der:dem der Prozesskostenersatz aufgetragen wurde, hat auch die Kosten der Vertretung einer:eines Privatbeteiligten zu ersetzen (§ 393 Abs. 4 StPO).
  • Recht auf Entschädigung: Das Recht auf Entschädigung ist im Wesentlichen durch die Möglichkeit der Privatbeteiligung nach § 67 StPO gewährleistet, wonach sich Opfer dem Strafverfahren mit ihren Schadenersatzansprüchen anschließen können. Entschädigungsleistungen können auch nach dem Mediengesetz (MedienG) zustehen.


Eine staatliche Entschädigung für Opfer vorsätzlicher Gewalttaten sieht das Verbrechensopfergesetz (VOG) vor. Weitere Informationen dazu können beim Sozialministeriumservice und seinen Landesstellen eingeholt werden.


Besonders schutzbedürftige Opfer haben über die allgemeinen Opferrechte hinaus zusätzliche Rechte:

  • Sie können verlangen, im Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden.
  • Sie können verlangen, dass Dolmetschleistungen bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts erbracht werden.
  • Sie können verlangen, im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung schonend vernommen zu werden (d.h. in einem abgesonderten Raum, Übertragung der Vernehmung per Video in den Verhandlungssaal).
  • Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sind verpflichtet, besonders schutzbedürftige Opfer von Amts wegen über die Freilassung der:des Beschuldigten aus der Verwahrungs- oder Untersuchungshaft, gegebenenfalls unter Angabe der dem:der Beschuldigten auferlegten gelinderen Mittel, sowie über die Flucht und Wiederergreifung der:des Beschuldigten zu verständigen.


Stand: Juni 2024