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Unschuldsvermutung versus Meinungsfreiheit

Der Beklagte erhebt seit mehr als 20 Jahren - zuletzt im Jänner 2013 anlässlich einer Pressekonferenz und auch auf seiner Homepage - den Vorwurf, die Kläger seien unmittelbar am Mord seiner Ehegattin beteiligt gewesen. Tatsächlich wurde eine andere Person, die den Mord an der Ehegattin des Beklagten auch gestanden hat, im Jahre 1991 wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB rechtskräftig verurteilt. Die im Jahr 2012 erstattete Strafanzeige des Beklagten mit der Behauptung, in Wahrheit hätten die Kläger seine Ehefrau ermordet oder seien dem Verurteilten bei der Ermordung „behilflich“ gewesen, stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck ein.
Gegen den Vorwurf des Mordes wehrten sich die Kläger mit einer beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Unterlassungsklage. Sie waren in allen drei Instanzen erfolgreich. Dem Beklagten wurden Behauptungen jeder Art, dass die Kläger mit dem Mord an seiner Ehegattin unmittelbar zu tun gehabt hätten, rechtskräftig untersagt. Nach der vom Obersten Gerichtshof bestätigten Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht hat eine Interessenabwägung stattzufinden, ohne dass die (Un-)Wahrheit des Mordvorwurfs durch die Zivilgerichte näher geprüft werden müsste. Der OGH hat klargestellt, dass hier die gesetzliche Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs 2 EMRK) und das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) einander gegenüberstehen. Die gemäß § 1330 Abs 2 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung zeigt, dass die berechtigten Interessen der Kläger an ihrem guten Ruf und die gesetzliche Unschuldsvermutung durch das öffentliche Verhalten des Beklagten unnötig verletzt wurden. Die Interessen der Kläger an der Unterlassung der Verbreitung der inkriminierten Äußerung sind hier höher zu bewerten als das Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung.

Hinweis:
Entscheidung des OGH vom 19.11.2014, 6 Ob 115/14a

Innsbruck, am 13. Jänner 2015

Der Leiter der Medienstelle des Oberlandesgerichts Innsbruck:
Dr. Wigbert Zimmermann
Vizepräsident des Oberlandesgerichts Innsbruck