Zur Hauptnavigation [1] Zum Inhalt [2] Zum Untermenü [3]

Schmerzensgeld bei familienrechtlicher Pflichtverletzung?

Das Eltern-Kind-Verhältnis ist ein von der Rechtsordnung anerkanntes und grundrechtlich abgesichertes Verhältnis. Geschützt wird dabei auch das Recht des nicht obsorgeberechtigten Elternteils auf persönlichen Kontakt mit dem Kind. Beeinträchtigt oder verletzt der obsorgeberechtigte Elternteil die Kontaktrechte des anderen Teiles schuldhaft und führt dies zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung des anderen Elternteils, kann dieser Schadenersatz (Schmerzensgeld) verlangen.

Im Jänner 2010 sah der Vater die damals zweijährige gemeinsame Tochter der Streitteile regelmäßig zwei bis drei Mal die Woche. Ein auffälliges Verhalten des Kindes ließ die Mutter eine Kinderärztin und die Familienberatung konsultieren. Während die Kinderärztin das geänderte Verhalten für nicht ungewöhnlich hielt, äußerte die Familienberatung den Verdacht des Kindesmissbrauchs. Das im Zuge des vom Vater angestrengten Verfahrens um Einräumung des Besuchsrechts eingeholte kinderpsychologische Gutachten ergab keinen offensichtlichen Hinweis, es liege ein Missbrauchserlebnis vor.

Mit seiner beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Klage begehrte der Kläger Schmerzensgeld für die monatelange Trennung vom Kind und die Kosten des Besuchsrechtsverfahrens. Er behauptete, der Zeitraum zwischen Mai 2010 und Mai 2011, in dem er mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs konfrontiert gewesen sei, sei sehr belastend gewesen. Unabhängig von einem Krankheitswert bestehe ein Schadenersatzanspruch, weil das Verhalten der Mutter erhebliche psychische Belastungen bewirkt habe. Zusätzlich habe ein Ersatz der Kosten des Besuchsrechtsverfahrens stattzufinden.

Das Landesgericht Innsbruck wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte fest, dass der Vater eine krankheitswertige Störung nicht erlitten habe, ebenso wenig eine Leistungseinschränkung oder Beeinträchtigung. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass es für einen Schadenersatz an einer krankheitswertigen Gesundheitsbeeinträchtigung fehle. Auch ein Ersatz der Verfahrenskosten komme nicht in Betracht, weil dies eine schikanöse Besuchsvereitelung voraussetze. Der Verdacht des Kindesmissbrauchs sei nicht mutwillig geäußert worden, sondern fuße auf tatsächlichen Auffälligkeiten.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.

Auch vor dem Obersten Gerichtshof blieb der Vater erfolglos. Der OGH stellte klar, „dass das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ein von der Rechtsordnung anerkanntes, grundrechtlich abgesichertes Rechtsverhältnis ist, das auch das Streben nach persönlichem Kontakt erfasst und auch von Dritten zu respektieren ist“. Verhaltenspflichten, die sich aus dem Schutz des Eltern-Kind-Verhältnisses ergeben, schützen also auch den anderen Elternteil; Schadenersatzansprüche wegen einer durch ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten verursachten konkreten Gesundheitsbeeinträchtigung sind daher durchaus denkbar. Hier habe es bei der Klagsabweisung zu bleiben, weil der Vater psychische Schäden mit Krankheitswert nicht nachweisen konnte. Zu der vom Vater herangezogenen Analogie der Rechtsprechung bei „Schockschäden“ naher Angehöriger eines Getöteten, nach der auch für „Seelenschmerzen“ Schmerzensgeld zustehen kann, verwies der OGH auf die ständige Rechtsprechung, dass jedenfalls der Ersatz nicht krankheitswertiger Beeinträchtigungen grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers voraussetze. Hier könne keine grobe Fahrlässigkeit der Mutter erkannt werden, die sowohl durch das Verhalten des Kindes als auch durch die Auskünfte sachkundiger Institutionen durchaus Bedenken haben hätte können.

Im Übrigen werde der Ersatz von Schockschäden nur bei den massivsten Beeinträchtigungen gewährt; dem könne eine bloß vorübergehenden Trennung von einem Kind, das der Vater wohlauf und in guter Obhut wusste, regelmäßig nicht gleichgehalten werden.

Hinweis:
Entscheidung des OGH vom 27.11.2014, 9 Ob 28/14d, veröffentlicht im RIS.

Innsbruck, am 10. Feber 2014

Der Leiter der Medienstelle des Oberlandesgerichts Innsbruck:
Dr. Wigbert Zimmermann
Vizepräsident des Oberlandesgerichts Innsbruck