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Bergsportausübung im hochalpinen Gelände - Steinschlag als unvermeidbares Risiko

Auch bei sorgfältiger und vorsichtiger Bewegung im ungesicherten Hochgebirge ist es nicht zu vermeiden, dass durch Personen einzelne Steine gelöst werden bzw. ein Steinschlag verursacht wird. Erstbegehungen einer Kletterroute können oftmals ein höheres Gefahrenpotential bezüglich eines möglichen Steinschlags haben. Die Begehung einer Kletterroute schafft aber nicht für sich eine Gefahrenquelle, die den Klettersportler dazu verhalten würde, zur Hintanhaltung von Verletzungen anderer Alpinsportler entsprechende Maßnahmen zu setzen.
Der Kläger, der als Arzt an einer freiwilligen Übung des Österreichischen Bundesheers für einen Felslehrgang teilgenommen hatte, war am 2.7.2013 am sogenannten „Eggersteig“ im Bergmassiv „Wilder Kaiser“ von herabfallenden Steinen getroffen und schwer verletzt worden. Der Steinschlag war ausgelöst worden, als der Beklagte auf einer von ihm gerade durchgeführten Erstbegehung im Bereich des Fleischbank-Pfeilers oberhalb des „Eggersteigs“ zur Sicherung an einem Felsriss seinen Klemmkeil angebracht hatte. Dabei löste sich bei der Zugprüfung eine Felsschuppe von etwa 1,5 m x 0,9 m, die in weiterer Folge in zahlreiche Teile zersprang und in Richtung „Eggersteig“ fiel.
Das Oberlandesgericht Innsbruck bestätigte nun in seiner Entscheidung vom 28.5.2015 die bereits vom Erstgericht verneinte Haftung des beklagten Kletterers für das Unfallereignis. Der Beklagte hat entsprechend dem Rücksichtnahmegebot im Bergsport alles richtig gemacht. Er ist zunächst brüchigem Gelände ausgewichen und hat dann den Felsen, ehe er in einem Riss den Klemmkeil gesetzt hat, visuell und durch Abklopfen kontrolliert. Dabei auftretende hohle Töne sind nämlich ein Zeichen für einen unzuverlässigen Felsbereich. Der Beklagte und sein Kletterpartner haben jedenfalls alle zur Durchführung einer Erstbegehung im alpinen Klettersport üblichen Sorgfaltsmaßnahmen gesetzt. Der bei der Zugprüfung eines mobilen Klemmgeräts erfolgte Felsausbruch ist ein Zufall, „der auch für einen umsichtigen und sehr erfahrenen sowie mit dem Umgang von mobilen Sicherungsmitteln sehr versierten Kletterer nicht vorhersehbar war, sondern ein plötzliches und unabwendbares Ereignis darstellt“. Der Beklagte, der durch das unvorhersehbare Ausbrechen der Felsschuppe selbst über 2 m abgestürzt ist, kann daher für die schweren Verletzungen des Klägers nicht verantwortlich gemacht werden.

Hinweis: Oberlandesgericht Innsbruck vom 28.5.2015, 1 R 60/15f (Entscheidung

kann über Wunsch anonymisiert zur Verfügung gestellt werden)

Innsbruck, am 22. Juni 2015

Der Leiter der Medienstelle des Oberlandesgerichts Innsbruck:
Dr. Wigbert Zimmermann
Vizepräsident des Oberlandesgerichts Innsbruck