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Projekt Peers - § 27 Abs 2a SMG erfolgreich gestartet

Mit 1.6.2016 wurde die Bestimmung des § 27 Abs 2a SMG eingeführt, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (Jugendliche: bis zu einem Jahr) bedroht ist, wer an öffentlichen Orten Suchtmittel anbietet, überlässt oder verschafft.

Zwischen 1.6.2016 und 30.10.2017 sind am Landesgericht Linz 175 Verfahren wegen § 27 Abs. 2a Suchtmittelgesetz (SMG) (davon viele Haftfälle) durchgeführt  worden. Überwiegend betraf dies afghanische, nigerianische und aus anderen afrikanischen Staaten kommende Täter.

Oftmals wurden an den Drogenhotspots wie dem Hessenpark geringe Mengen Cannabis durch die Täter weiterverhandelt.

Viele der Verurteilten sind auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Vielen fehlt es an Unrechtsbewusstsein. Wenn es auch ein grundsätzliches Wissen um die Strafbarkeit des Umgangs mit Suchtmitteln gibt, so herrscht doch verbreitet der Glaube, dass der Handel zB. mit kleinen Mengen Cannabis konsequenzenlos bleibt.

Fallbezogen und ausgehend vom konkreten Strafrahmen werden über unbescholtene jugendliche oder junge Erwachsene regelmäßig bedingte oder teilbedingte Freiheitsstrafen ohne weitere Begleitmaßnahmen verhängt.

Diese rein repressive Sanktionsfindung  wollen wir – im gemeinsam durch Landesgericht Linz NEUSTART, Landespolizeidirektion Linz und dem Integrationsreferat des Landes OÖ entwickelten Projekt  „Peers § 27 Abs 2a SMG“ – bei Verantwortung übernehmenden Tätern mit Aufenthaltsperspektive in Österreich durch zusätzliche bzw. begleitende präventive Maßnahmen in Form einer Weisung zur aktiven Präventionsarbeit ergänzen.

 „Denn Präventionsarbeit ist uns wichtig. Dadurch, dass der unbescholtene junge Täter anläßlich des mit ihm durchgeführten Interviews sein eigenes Fehlverhalten reflektiert, indem er vor in etwa Gleichaltrigen aus der afghanischen Community in UMF-Quartieren authentisch über die Tat und die nachfolgenden Konsequenzen (Haft, Verurteilung, fremdenrechtliche Nachteile …) berichtet, wird bei den Bewohner/innen in den Quartieren wertvolle Bewußtseinsbildung geschaffen“, so Mag. Walter Eichinger, Vizepräsident des Landesgerichts Linz.

In zwei Linzer Unterkünften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge führte die Bewährungshelferin Gabriele Koller-Sandhacker gemeinsam mit dem Präventionsbeamten des LKA Oberösterreich Roland Wiednig rund dreistündige Workshops mit den jugendlichen Bewohnern durch. Vom Verein „migrare“ wurde für den Workshop ein Dolmetsch bereitgestellt.

Ablauf eines Workshops

Nach einer gegenseitigen Vorstellung und einem warm up nähern sich die Bewährungshelferin und der Präventionsbeamte dem Thema mit den Jugendlichen, indem über die Situation im Herkunftsland diskutiert wird. Auffallend ist, dass stets beschrieben wird, dass der Umgang mit Drogen in Afghanistan offiziell zwar verboten ist, die Einhaltung der Gesetze jedoch sehr unterschiedlich exekutiert wird. Beamten seien meist bestechlich. Diese Erfahrungen aus dem Herkunftsland bieten später eine Grundlage, um dem die Realität der Exekutive in Österreich gegenüber zu stellen.

Den zentralen Teil bildet das Interview mit einem Jugendlichen, der bei der Weitergabe von 4 Gramm Cannabis am Hessenplatz betreten wurde und nach einer Verurteilung zu vier Monaten bedingt nun von der Bewährungshilfe betreut wird. Im Vorfeld wurde mit dem Jugendlichen im Rahmen der Bewährungshilfe intensiv seine Tat rekonstruiert, seine Motive und die Konsequenzen daraus erforscht.

Emotionsbeladen schildert der Jugendliche dann vor den Gleichaltrigen seine Geschichte, seine Tat, die darauf folgende Festnahme, das Verhör und seine Gerichtsverhandlung. Die Schilderung passiert in Form eines Interviews mit der Bewährungshelferin, deren Fragen dem „Peer“ bei der Strukturierung helfen. In Zusammenschau mit den zusätzlichen Informationen zur Rechtslage und Strafverfolgung in Österreich durch den anwesenden Polizei-Beamten entsteht für die anwesenden Jugendlichen ein plastisches Bild. Beim „Peer“ ist merkbar, dass ihm der öffentliche Auftritt eine große Portion Mut abverlangt. Die Zuhörer sind bei seinen Ausführungen besonders aufmerksam und fragen interessiert nach.

Nach einer Pause werden in einem zweiten Teil die rechtlichen Folgen beim Umgang mit Suchtmitteln erörtert. Neben der strafrechtlichen Verurteilung werden Nachteile bei der Arbeitssuche, fremdenrechtliche Nachteile oder Probleme beim Erwerb des Führerscheins diskutiert. Die Workshopleiter bedienen sich dabei einer leicht verständlichen Sprache und visualisieren das Besprochene auf Plakaten. In einem letzten Teil wird mit den Jugendlichen über gesundheitliche Risiken und die möglichen sozialen Nachteile des Umgangs mit Suchtmitteln diskutiert.

Primäres Ziel des Workshops ist die Stärkung jener Jugendlichen, die sich rechtlich wohlverhalten. Das erfordert eine hohe Sensibilität der Workshopleiter, um den Anschein eines Generalverdachtes zu vermeiden.

Seitens des Betreuungspersonals in den UMF-Einrichtungen wurde in den geführten Evaluierungsgesprächen rückgemeldet, dass in den Wochen nach dem Workshop bei den Jugendlichen eine intensive gedankliche Auseinandersetzung passiert ist und viel mit dem Betreuungspersonal gesprochen wurde. Die enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den UMF Einrichtungen stellt damit einen wesentlichen Teil zum Erfolg dieses Projekts dar.

Mag. Mag. (FH) Lukas Schmid, Leiter NEUSTART OÖ: „Die Workshops sehe ich als spezial- und generalpräventiven Mosaikstein zur Dämpfung des Problems des Suchtgifthandels im öffentlichen Raum in Linz. Aufgrund der ersten positiven Erfahrungen ist eine Fortführung mit geeigneten Jugendlichen als „Peers“ absolut sinnvoll.“

 

Rückfragehinweis:

Mag. Walter Eichinger, Vizepräsident Landesgericht Linz, 0676/898942736

Mag. Mag.(FH) Lukas Schmid, Leiter NEUSTART Oberösterreich, 0676/847331 400

BI Roland Wiednig M.A., Landeskriminalamt OÖ, 0650/6404151